Kein Mensch käme auf die Idee, eine Knie-OP selbst zu Hause im Wohnzimmer durchzuführen. Stottert der Motor des geliebten Autos, dann vereinbart man in der Regel einen Termin in der Werkstatt des Vertrauens. Streikt die Waschmaschine, wendet Mann oder Frau sich an einen fachkundigen Monteur.
Sicher klingen diese Sätze etwas merkwürdig, wenn es um das Thema Sucht geht. Es spiegelt aber leider häufig die Realität wider, wenn Menschen, aus welchen Gründen auch immer, in eine belastende Lebenssituation geraten. Der Verlust des Arbeitsplatzes, ein Trauerfall im Familien- oder Freundeskreis oder die Trennung in einer Lebenspartnerschaft: Der Weg zu professioneller Hilfe ist oft ein Tabuthema.
Ein humorvolles Foto der Suchtberater des Caritasverbandes Koblenz mit ernstem Hintergrund. Eine Knie-OP würde kaum ein Mensch selbst vornehmen.Foto: Marco Wagner
"Immer wieder kommen Menschen zu uns, die glauben, mit solchen Extremsituationen alleine klarkommen zu müssen", berichtet Can Depré, Leiter des Caritas-Zentrums für ambulante Suchtkrankenhilfe. "Alkohol, Medikamente, illegale Drogen oder Glücksspiele: Sie greifen zu scheinbar einfachen Lösungen, um den negativen Gedanken entfliehen zu können." Unter Umständen findet man kurzfristig Entlastung bei einem Glas Wein oder anderen Suchtmitteln. Doch gerade hier liegt die Gefahr, dass sich bei anhaltender Belastung und dauerhaftem Konsum eine Suchtproblematik entwickeln kann.
Unterstützung für Betroffene und deren Umfeld
Das Zentrum für ambulante Suchtkrankenhilfe in der Koblenzer Rizzastraße ist die größte Anlaufstelle für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen im nördlichen Rheinland-Pfalz. Ein 20-köpfiges Fachkräfteteam begleitet und behandelt Menschen mit den unterschiedlichsten Suchtproblematiken. Im vergangenen Jahr fanden 1600 Personen Unterstützung bei dem Caritas-Fachdienst, der neben den Räumlichkeiten in Koblenz auch eine Außenstelle in Andernach vorhält. Die Corona-Pandemie mit ihren belastenden Begleiterscheinungen verstärkte den Hilfebedarf noch einmal.
Das differenzierte Unterstützungsangebot beinhaltet auch die Begleitung von Angehörigen und Freunden der betroffenen Menschen. "Unser Beratungsangebot ist Teil der kommunalen Gesundheitsförderung", sagt Klaus Grosch von der Beratungsstelle in Andernach. "Unser Ziel ist es, für die Ratsuchenden einen Ausstieg aus der Sucht zu finden und das Familienleben zu stabilisieren."
Prävention ist die beste Investition in die Zukunft
Neben dem spezifischen Beratungsangebot ist eine intensive Präventionsarbeit integraler Bestandteil der Arbeit, um insbesondere junge Menschen zu informieren und zu sensibilisieren. So wurden in den vergangenen Jahren innovative Projekte initiiert, beispielswiese HaLT, ein Akutinterventionsmodul zur Unterstützung von Minderjährigen nach übermäßigem Alkoholkonsum und einer erforderlichen Aufnahme in eine Klinik, oder FreD, ein Frühinterventionsprogramm zur Begleitung von erstauffälligen Drogenkonsumenten.
Beratungsangebot ist kostenlos und anonym
Gerade bei diesem mit großer Scham besetzten Thema sind Anonymität und Schweigepflicht selbstverständlich. Die Suchtexperten der Caritas appellieren, frühzeitig den Weg zur Beratungsstelle zu finden. "Wer zum Telefon greift oder die Tür zu unserer Beratungsstelle öffnet, hat eine große Hürde genommen und den wichtigen ersten Schritt getan", sagt Caritas-Mitarbeiter Can Depré. "Schließlich käme kein Mensch auf die Idee, das kaputte Knie selbst zu operieren. Das sollte auch bei einer Suchtproblematik selbstverständlich sein."